Der Gartenzwerg
Der Gartenzwerg
von Walter Ineichen
Es war einmal ein Gartenzwerg
der wollt‘ auf Reisen geh‘n
er hatte es bis oben satt
nur im Garten ‘rum zu steh‘n.
Schon zwanzig Jahre stand er dort
von früh bis spät bei Tag und Nacht
und hat mit seiner Zipfelmütze
manchen Menschen Spass gebracht.
Er war der schönste aller Zwerge
und wer ihn sah, gab ihm Applaus
denn mit seiner grünen Schürze
sah er ach so niedlich aus.
Niemand sah in seine Seele
von der Einsamkeit gequält
niemand hatte seine Tränen
die er vergossen je gezählt.
Tränen, die ihm niemand trocknet
weil niemand sich um ihn erbarmt
und wenn sie einmal nieder kollern
tröstend ihn umarmt.
Drum spürt er Sehnsucht nach der Ferne
nach einem Blick mal über‘n Zaun
statt den ewig gleichen Garten
nur von innen anzuschau‘n.
Er träumt‘ schon lange von Befreiung
der Gartenzwerge dieser Welt
von ‘nem Aufstand ge‘n die Macht
die sie und ihn gefangen hält.
Er sieht die grosse Revolution
wie sie die Welt noch nie gesehen
es sollten all die Mauern fallen
die der Flucht im Wege stehen.
Er sieht sich als den grossen Führer
einer Heerschar Zipfelmützen
von Artgenossen, die sich weigern
nur im Garten ‘rum zu sitzen.
Mit vielen tausend Gartenzwergen
will er los marschieren
die rote Zwergenfahne schwenkend
sein treues Volk zum Siege führen.
Nie mehr soll ein Artgenosse
tief betrübt im Garten stehen
von der ganzen Welt verlassen
ungehört nach Freiheit flehen.
Seinen Kampf hat er verloren
aus seinem Traum ist er erwacht
verriegelt ist ist das Tor zur Freiheit
die sein Traum sich ausgedacht.
Verbittert steht er nun im Garten
geknechtet von des Schicksals Macht
hat er wohl genug Humor
dass er jemals wieder lacht?
All den bösen Schicksals Mächten
hat er nickend sich gefügt
seine Träume von der Freiheit
hat ein böser Feind besiegt.
Mit der roten Zipfelmütze
ist er nach wie vor beliebt
Menschenskinder freuen sich
dass es ihn noch immer gibt.
Auch er selbst kann wieder lächeln
denn er denkt sich: “Glücklich ist
wer vergisst,
was doch nicht zu ändern ist.“
Dieses Liedchen pfiff er täglich
bis zu seines Schicksals Wende
als sein “Nur im Garten ste‘hn“
hatte ein gar bitt‘res Ende.
Ein neuer Herr erwarb das Haus
hat den Garten umgestaltet
doch den braven Gartenzwerg
fand der Herr mehr als veraltet.
Im neuen Garten gab‘s kein‘ Platz
für lächerliche Zipfelmützen
noch für dumme grüne Schürzen
die dem Garten gar nichts nützen.
Der neue Herr erbarmungslos
schmiss den Zwerg weg in den Müll
soll doch diese Witzfigur
künftig haben, wer sie will.
Ein Shredderwagen lud ihn auf
und nach einem lauten Schrei
war ein langes Zwergenleben
in der Zwergenwelt vorbei.
Es gibt vielleicht ein Menschenskind
das den Gartenzwerg vemisst
und seine rote Zipfelmütze
im alten Garten nie vergisst.
* * * * *