Der Leuchtturm
Der Leuchtturm
von Walter Ineichen
Empor rag‘ ich auf einem Cliff
und schau‘ hinaus auf‘s Meer
unendlich scheint des Meeres Weite
die Reise ohne Wiederkehr.
Geliebt, geschätzt, geehrt werd‘ ich
ich fühl mich unentbehrlich
denn ohne mich, der Seemann meint,
sei die Seefahrt höchst gefährlich.
Meine Leuchte auf dem Kopf
kann ich im Kreise drehen
und was ich damit sagen will
kann der Seemann wohl verstehen.
Denn er kennt mich ganz genau
er kann mir voll vertrauen
wie ich ihn um die Klippen leite
er braucht ja bloss auf mich zu schauen.
Und zieht sein Schiff an mir vorüber
lässt das Schiffshorn er erklingen
ich versteh‘ sein Dankeschön
er lässt mir Grüsse überbringen.
Wenn ich an all die Menschen denke
die mich besuchen Jahr für Jahr
muss ich was Besond‘res sein
ich fühl‘ mich fast als Superstar.
Alle woll‘n ein Bild von mir
ich bin wohl fotogen
sie machen sich ‘nen Spass daraus
lächelnd neben mir zu steh‘n.
Leider ist die Zeit gekommen
wo ich nicht mehr leuchten darf
die Technik hat mich überholt
für meinen Dienst gibt‘s kein‘ Bedarf.
Ich wische mir viel Tränen ab
und geh‘ in Pension
ich hatte eine schöne Zeit
Erinnerungen sind mein Lohn.
Besucher werden immer rarer
hab‘ ich wirklich ausgedient?
Vergesst denn Ihr, was ich geleistet?
Hab‘ ich die Einsamkeit verdient?
Das Alte muss dem Neuen weichen
dies ist nun mal der Lauf der Zeit
hört Ihr denn nicht, wie meine Seele
vor meinem Tod um Hilfe schreit?
Was seh‘ ich dort am Horizont?
Ein Baggerschiff taucht auf
Ich spür‘s, es ist mein Henker
schnell und schneller geht mein Schnauf.
Zu meinen Füssen legt es an
und wirft die Anker aus
ein Kranenarm wird ausgefahren
was nun geschieht, es ist ein Graus.
Eine Riesenbaggerschaufel
steigt vor mir hoch,
“NEIN, bitte nicht..........“
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