Der Pianist
Der Pianist
von Walter Ineichen
Tanzen lässt er seine Finger
auf des Flügels Tastatur
er zeiget uns sein grosses Spiel
mal in Moll und mal in Dur
Manchmal ist er nicht Solist
nur ein wichtiger Begleiter
dann sitzt er ganz im Hintergrund
als Harmoniearbeiter
Applaus gilt nur für die Solisten
die in der ersten Reihe steh‘n
der Blumenstrauss der gilt nur ihnen
er hat ihn leider kaum geseh‘n
Betrachtet wir einmal die Geige
die Klarinette, die Trompete
den Kontrabass und die Posaune
die Oboe und die Flöte
Was hat ein Instrumentalist
ganz allein zu konzertieren?
Ohne Harmonienteppich
muss er sich beinah‘ genieren
Im Gegensatz zu dem Piano
ist sein Tonumfang bescheiden
und Akkorde spielt er keine
das Klavier ist zu beneiden
Der Pianist kann dem Klavier
entlocken Melodien
nicht allein auf einem Ton
er kleidet sie in Harmonien
Bartrompeter gibt es nicht
auch keine Barbassisten
die haben dort gar nichts zu suchen
in einer Bar braucht‘s Pianisten
Gross ins Element kommt er
mit dem Orchester als Solist
im klassischen Klavierkonzert
sei es eines von Franz Liszt
sei‘s aus Mozarts Meisterhand
sei es eins von Josef Haydn
Tschaikowsky oder Edvard Grieg
sein grosses Spiel ist zu beneiden
Es herrscht gedämpftes Licht im Saale
tausend Ohren tausend Augen
harren auf den Pianisten
seine Kunst gilt‘s aufzusaugen
Endlich kommt er auf die Bühne
die Musiker erheben sich
der Dirigent gibt ihm die Hand
zum Flügel geht er feierlich
Die Einleitung spielt das Orchester
dann setzt er ein, der Pianist
und lässt nun seine Finger tanzen
in Perfektion wie‘s üblich ist.
Das Allegro spielt er munter
und lächelt rüber zum Orchester
der Dirigent setzt die Akzente
manchmal weich und manchmal fester
Das Andante klinget sanft
die Seelen sind gerührt
die Streicher spielen weich und himmlisch
und der Pianist brilliert
Der dritte Satz, das Molto Presto
lässt die Perlen quellen
auf die Stirn des Pianisten
und manchen Hörers Puls anschnellen
Nach des Konzertes letztem Takte
verneigt er sich, schaut in die Runde
der Dirigent ist stolz auf ihn
Applaus ertönt aus aller Munde
Freude herrscht in seiner Seele
er hat das Publikum begeistert
vereint mit fünfzig Musikern
ein herrliches Konzert gemeistert
Es erscheint nun eine Dame
von hinter den Kulissen
zum Danke für den Blumenstrauss
darf er die Schöne küssen
Bald einmal ist der Strauss verwelkt
die Musik wird‘s weiter geben
so wie jede schöne Kunst
hat sie ein ewig‘ Leben
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