Die Zeit und die Uhr
Die Zeit und die Uhr
von Walter Ineichen
Alles fliesst und nichts bleibt stehen
was gestern war, ist heut‘ nicht mehr
Die Zeit, sie ist ein Werk der Götter
es nützt dir keine Gegenwehr.
Du schwimmst nie im selben Wasser
die Zeit sie ist nicht statisch
sie unterliegt dem steten Wandel
und ist als solche sehr dynamisch.
Versuch‘ es nicht, sie aufzuhalten
es wird dir nie gelingen
der Zahn der Zeit er nagt und nagt
er lässt sich nicht bezwingen.
Er nagt an deinem Körper
frisst deine Jugendschönheit auf
versuch‘ es mal, mit ihm zu fechten
du kämpfst mit höheren Mächten.
Beute gibt es für ihn immer
hungers sterben wird er nie
erst am Ende aller Zeiten
versiegt des Zahnes Bulimie.
Die Zeit, das höchst wertvolle Gut
setzen wir dem Gelde gleich
der Volksmund meint, die Zeit ist Geld
Zeit und Geld regiert die Welt.
Der Umkehrschluss aus dieser Lehre
zeigt dir Geld ist Zeit
nur ist das Geld von kurzer Dauer
vom Frass der Geier ungefeit.
Menschengeier fressen Geld
auch wenn sie übersättigt sind
Gier und Habsucht, Macht und Stolz
machen diese Geier blind.
Mit Geld lässt sich die Zeit nicht kaufen
und hast du‘s auch in rauher Menge
sie lässt sich nicht in Geld eintauschen
ein Wunder, wenn es dir gelänge.
Mit Zeit lässt‘s sich nicht handeln
eine Börse gibt es nicht
keine Baisse keine Hausse
die Zeit sie hat nur ein Gesicht.
Allerdings lässt sie sich messen
mit perfekter Akribie
und der Index ist die Uhr
Kursgewinne gibt es nie.
Die Uhr sie ist allgegenwärtig
zum Sklaven hat sie dich gemacht
das Instrument der Tyrannei
hat um die Freiheit dich gebracht.
Sie diktiert dir unablässig
was zu tun ist und was nicht
mit erhob‘nem Zeigefinger
weist sie dich in deine Pflicht.
Fazzettenreich ist ihr Gesicht
vom Kirchturm schaut sie stolz hinunter
edel aus dem Goldgehäuse
keck als Kuckucksuhr mitunter.
Bescheiden eingefasst in Plastik,
scheu vesteckt in einer Veste,
ein unerbittlich‘ Messgerät
wenn‘s um Spitzensport sich dreht.
Als bitter böser Sklavenmeister
entpuppt sie sich am fühen Morgen
wenn sie brutal die Peitsche schwingt
und aus dem warmen Bett dich zwingt.
Der Uhrenmacher, der Designer
der Goldschmied und der Juwelier
sind besessen vom Bestreben
der bösen Zeit, der bösen Uhr
ein liebliches Gesicht zu geben.
Die Uhr sie wird zum Luxusgut
die Zeitmessung ist sekundär
mit dem Besitz willst du bekunden:
“Schaut mal her, ich bin wohl wer!“
Vom Handgelenk berühmter Menschen
strahlt die Uhr von den Plakaten
und du staunst mit offnem Munde:
Wär ich doch wie er geraten.
Auch die teure Luxusuhr
zählt für dich die Stunden nur
sie wird dir niemals sagen:
“Dein letztes Stündchen hat geschlagen“.
Die Zukunft liegt in weiter Ferne
was kommen wird, das weisst du nicht
sie steht jedoch vor deiner Türe
dir unbekannt ist ihr Gesicht.
Zeit und Raum sind dein Gefängnis
in diesen Mauern musst du leben
der Tod allein besitzt den Schlüssel
nur er kann dir die Freiheit geben.
Er weist den Weg durch eine Pforte
sie führt hinaus aus Raum und Zeit
hinter dir schliesst er sie zu
die Ewigkeit wird Wirklichkeit.
Uhren sind dort unbekannt
sie hätten auch gar keinen Sinn
in der konstanten Gegenwart
fliesset keine Zeit dahin.
Aufgehoben ist der Raum
seine Fesseln sind zerrissen
das Zwillingspärchen Raum und Zeit
wirst du dort niemals vermissen.
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