Worte taugen mehr als Bilder

Gedanken meines Stammtisches 2 

Gedanken meines Stammtisches

von Walter Ineichen

 

Der Tragödie zweiter Akt

 

Nun ist‘s passiert es ist geschehen

ich seufz‘ es unter grossen Wehen

Meine Beiz ist zwar am Leben

was Böseres hat sich ergeben.

 

Ja, der Leser hat‘s erraten!

Meiner Gäste Missetaten,

genannt im Volksmund “Schloten,“ 

ist nun in meiner Beiz verboten.

 

Schon lange Zeit vor diesem Schrecken

konnte keiner es verstecken

während schöner Stammtisch Stunden

seinen Kummer zu bekunden.

 

Was musste ich da alles hören!

Der Köbi tat‘s sogar beschwören

dass er nie mehr kommen werde

so lang er leb‘ auf dieser Erde.

 

Der Heiri meint‘ ‘s ist ein Gerücht,

so ‘nen Humbug glaub‘ ich nicht.

Der Kari meint‘ ihr werdet sehen

um unsere Freundschaft ist‘s geschehen.

 

Auch Werni schimpfte ärgerlich:

“Dieses Eine sage ich,

ich hab‘ schon längst die Vision

von einer Prohibition!

Und trocken bleibt die ganze Schweiz

dann stirbt auch noch die letzte Beiz

Wehret euch mit Händ‘ und Füssen

die Mafia lässt grüssen.“

 

Und die Jasser nebenan

sagten es auch dann und wann,

den letzten Jass geklopft zu haben

ein Stück Kultur wird man begraben.

 

Der Geri schmiss die Karten hin:

“Was kommt den Spinnern in den Sinn,

so ‘nen Blödsinn zu beschliessen,

nur um uns Jasser zu verdriessen?“

 

Verärgert er die Pfeife stopft

und paarmal auf den Jasstisch klopft:

“Bis heut‘ hat‘s keinen Mensch gestört

die Linken sind total verstört!“

 

Und Babette, die Serveuse

wirkt öfters mal etwas nervöse

weil auch sie, die hübsche, nette

raucht zwischendurch ‘ne Zigarette.

 

Was meine Gäste prophezeiten

die weniger und ganz Gescheiten

wurde nun zur Wirklichkeit

vorbei ist die Glückseligkeit

eines Stammtisches Kultur

kein‘ Freund gibt‘s mehr auf weiter Flur.

 

Ich steh‘ noch in derselben Ecke

unter einer hölzern Decke

mit einem weissen Tuch bedeckt

die Schnitzereien zugedeckt.

 

Und die Laterne über mir

ist nur noch ein Souvenir

statt ihrer hängt ein Neonlicht

man glaube mir, ich mag es nicht.

 

Auf meinem Haupt liegt Patisserie

so was gab es bis anhin nie

vielmehr zwei, drei Aschenbecher

für die frohen Stammtisch Zecher.

 

Ein jeder Stammgast ist verschwunden

vorbei die schönen Stammtisch Stunden

mit all den weisen Mannen,

die manches kluges Zeug ersannen.

 

Statt dessen setzen so vor vier

schmucke Damen sich zu mir

die mit all den Süssigkeiten

schweben in Glückseligkeiten.

 

Ich riech‘ Parfum statt Tabakrauch

und so geht‘s meinen Stühlen auch

Gläser, Tassen sind verdutzt

mit Lippenstift sind sie beschmutzt.

 

Ein kleiner Hund ist auch dabei,

der mit seiner Kläfferei

mich zum Wahnsinn treiben lässt.

Ich hass‘ den Köter wie die Pest.

 

Tief in ein Gespräch versunken

wird Kaffee und Tee getrunken.

Sie sprechen über Neuigkeiten

Wichtiges und Kleinigkeiten.

 

Von der Mode und Kosmetik

auch von Sex und von der Ethik,

von Gleichberechtigung und so

von bösen Machos so wie so.

 

Ist was Besonderes geschehen

die Gaby hat es kommen sehen

die Carla meint ‘s ist ein Gerücht

diesen Unsinn glaub‘ ich nicht.

 

Die Yvonne glaubt sie sei gescheit

und hat  ‘nen blöden Spruch bereit

der zum Thema gar nicht passt

die Serveuse ärgert‘s fast 

hinaus geht die Babette

und raucht ‘ne Zigarette.

 

Ich hör‘ dem zu mit Unbehagen

wie soll ich das denn noch ertragen?

Ich  bin schon hundert Jahr‘ auf Erden

Was soll nun aus mir werden?

 

Zersägt mich doch in hundert Stücke,

auf dass ich dieser Welt entrücke

entfacht daraus ein grosses Feuer

freuen würd‘s mich ungeheuer.

 

Denn auf einem stolzen Schimmel

werd‘ ich reiten in den Himmel

und darf nun dort mit Heiligenschein

ein urchig, echter Stammtisch sein.

 

Meine Freundin, die Laterne

ist der schönste aller Sterne

die auf mein Haupt nun leuchten

und meine Augen lässt befeuchten

wenn sich setzen dann zu mir

die alten Freunde so nach vier

gemächlich nun ihr Bierchen trinken

und der alten Beiz zuwinken.

 

Ich geniess‘ den Tabakrauch

und alle meine Gäste auch.

Der Geri seine Pfeife stopft

und den Jass nun weiter klopft.

 

Der Gastwirt selbst sitzt auch dabei

und schmeisst 'ne Runde oder zwei

er will damit nicht etwa prahlen

hier oben braucht man nicht zu zahlen

denn das dumme, böse Geld

gib's nur unten auf der Welt.

 

Die Serveuse, die Babette

strahlt und lächelt um die Wette

und bringt für all die frohen Zecher

frisch geputzte Aschenbecher.

 

Der Walti schreitet zum Klavier

und spielt mit Freude und Pläsir

die Lieder von Glückseligkeit

Wie schön ist doch die Ewigkeit.

 

Der gute Heiri glaubt es kaum

so was gibt‘s doch nur im Traum

der Kari hat es kommen sehen

und Köbi fragt, was ist geschehen?

 

* * * * *

zum Ausdrucken hier klicken

Stammtisch 2.Teil.pdf (120742)

 

 

 

 

 

 

Site durchsuchen

© 2008 Alle Rechte vorbehalten.