Neujahr
von Walter Ineichen
Das alte Jahr wird weg geschmissen
als wär‘s ein alter Hut
als gäb‘ es gar nichts zu vermissen,
was es dir und mir bescherte.
Nun steht es brav und nett
im Wachsfigurenkabinett.
Das alte Jahr es ist entschwunden
ausgelöscht für immer
ein Neues hat sich eingefunden
mit Feuerwerken und Fanfaren
mit Korkenknall und Freudentänzen
und mit Besäufnis ohne Grenzen.
Du jubelst, Mensch, da etwas zu,
das du ja gar nicht kennst,
wie vertrauensselig bist denn du,
dem neuen Jahr dich auszuliefern?
Wirst du jubeln, wenn es nicht
all das hält, was es verspricht?
Was soll im Neuen anders werden?
Werden alle Waffen ruh‘n?
Zieht nun Friede ein auf Erden?
Hegst auch du den frommen Wunsch?
In der Nacht zum neuen Jahr
werden keine Träume wahr.
Das neue Jahr hat nichts versprochen
du hast von ihm nur was erhofft.
Es wird dir nicht die Suppe kochen,
welche dir besonders schmeckt
sie könnte sehr versalzen sein,
so pass‘ schön auf, du Dummerlein.
Anderseits wär‘ es ein Segen
dem neuen Jahre zu versprechen,
gewisse Laster abzulegen.
Wie oft hast du es schon versucht?
Ach, hör‘ schon auf mit dir zu ringen
es wird dir wieder nicht gelingen.
Das neue Jahr ist nichts als ehrlich,
wenn es dir gar nichts verspricht,
denn es findet es gefährlich,
all uns Menschen glauben lassen:
Wähle mich und es wird gut
so wie die Politik es tut.
Die Erde wird sich weiter drehen
und sich um die Sonne schwingen
sie wird noch lang‘ nicht untergehen
und noch hunderttausendmal
meldet sich ein neues Jahr
Und Menschen schreien: Wunderbar!
Für viele wird‘s das Erste sein
für andere das Letzte.
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